Wir laden zu dem Symposium Andernorts – Denken Handeln Fühlen vom 10.12. bis 13.12.2020 im Tempelhofer Flughafengebäude ein. Die Veranstaltung findet im Rahmen der Ausstellung Living the City über Städte, Menschen und Geschichten statt. Gemeinsam mit Interessierten und Studierenden aus den Fachbereichen wie Kunst, Architektur, Design und Soziologie, möchten wir in einem 4-tägigen Werkstattsymposium Berichte und Arbeiten der Bewohner*innen Karails und deren unterschiedliche Herangehensweisen der Alltags- und Raumorganisation beleuchten. In der Agora werden Beiträge in Form von Vorträgen, Filmen und performativen Ereignissen zu verwandten Themen gezeigt. Die Ergebnisse werden am Sonntag im ehemaligen Restaurant präsentiert. Interessierte können sich unter folgender E-Mail Adresse bewerben: nest.hfb@t-online.de. Weitere Informationen werden in Kürze veröffentlicht.
Mit Information Overload from the Map to the Ground haben wir nicht versucht, die Komplexität der Urbanisierung im 21. Jahrhundert zu reduzieren, und noch weniger Siedlungen wie Karail Basti zu erklären, welche ein solch typisches, wenn auch alarmierendes Teil von ihr sind. In kritischer Auseinandersetzung mit den gängigen Instrumenten der Stadtforschung seit der topographischen Wende – ob Satellitenbilder oder mapping – wollten wir eher die radikale Lehre in die Tat umsetzen, die von diesen Siedlungen ausgeht, das heisst: Zahlen helfen ganz und gar nichts, solange wir nicht mit den Bewohnerinnen reden. Während der Suche nach Worten, die benennen, was wir da sehen und studieren, lernten wir der eigentlichen Stimme der Siedlung und ihrer Bewohnerinnen zuzuhören. Die Visualisierung, welche beim internationalen Wettbewerb Planetary Urbanism den ersten Preis bekommen hat, greift auf die Ergebnisse der Forschung vor Ort von Louisa Scherer, Paul Klever, Farhana Rahman, Anna Sauter, Abdul Kader Khan (Komol), Marian Knop, Lisa Lampe und Tamanna Siddiqui zurück. Sie wird im Rahmen von Habitat III in Quito, Ecuador, im Oktober 2016 ausgestellt.
Hohe Fluktuation, Unsicherheit über die Zukunft und ein desertierender Staat einerseits; Selbstorganisation, Praktiken der Resilienz und bewährte Netzwerke andererseits prägen physische und soziale Strukturen in Karail Basti, einer Squattersiedlung im Herzen der Hauptstadt Bangladeschs, Dhaka. Wer hinter die Oberfläche schauen will, kann am Beispiel dieses Basti (kein Slum!) die Folgen langfristiger Vernachlässigung von strukturellen Problemen, etwa Armut und politische Korruption, in Zeiten neoliberaler Versprechen à la „digital futures“ und „smart cities“ nachvollziehen. Wie in anderen Teilen der Welt haben arme Bevölkerungsgruppen in Bangladesch angesichts einer fortwährender Politik der Exklusion von den Grundressourcen keine andere Wahl, als Raum zu besetzen, selbst zu organisieren und auszuhandeln, um in der Stadt Unterkunft zu finden.
Zusammen mit Bangladeschs Organisationen DSK und NDBUS, und unterstützt durch das ASA-Programm, führt HFB eine sozio-physische Kartierung in einer der größten spontanen Siedlungen Dhakas, Karail Basti, durch. Dank wiederholten Gesprächen mit den Bewohnerinnen und Feldbeobachtungen in longue durée konnten wir anthropologisches und soziologisches Wissen über das Alltagsleben der Siedlung sammeln. Aus Bestandsaufnahmen von Lebensbedingungen und -umfeld (Straßen, Märkten und Abwassersystemen, aber auch architektonisch-konstruktiven Merkmalen) und Workshops mit gewählten Bewohnergruppen sind Karten hervorgegangen, die 2012/2013 NDBUS zur Verfügung gestellt wurden. 2014 standen architektonische Lösungen für das Wohnen (in-situ Aufwertung), die Netzwerke zur Erschließung von Wasser, Gas und Strom sowie durch den Einzug neuer sozio-demographischer Gruppen emergierende räumliche Phänomene im Fokus. In der restlichen Laufzeit des Projekts (2015-2017) möchten wir ein größeres Verständnis der mentalen, d.h. kulturell vermittelten Repräsentationen vom Basti unter den Bewohnerinnen erreichen. Hierzu werden spezifischere Interviews geführt und mental maps, Audio- und Videoaufnahmen gesammelt und verglichen.